Reisetagebuch

28 January 2009

ganz normal in lucknow

wir sind wieder in lucknow, einer grossen und im touristischen sinne ganz unaufregenden stadt im norden von indien. wir sind hier weil ajay hier wohnt und jeden tag für eine stunde sanskrittexte übersetzt und interpretiert in seiner wunderbaren art, die nicht viele worte benutzt, um uns verstehen zu lassen. oft ist in dieser stunde mehr stille im raum als worte da sind, seine präsenz, sein lachen, seine ernsthaftigkeit und seine gesten lehren anstelle von intellektuellen erklärungen und gesprochenem gedankenaustausch. er übersetzt einen vers, findet bilder und beispiele, und in seiner poesie begeistert er mich für diese klassisch indischen philosophien, die so viel bedeutung und weisheit (das erfassen des ganzen in allen dingen die sind) in einen einzigen vers zulegen imstande sind. was mich an ajay vorallem beeindruckt und mich, als ich es sah, überzeugt hat, dass er ein guter lehrer ist, ist der fakt, dass in seinem wesen der kleine junge, der er vor fast fünfzig jahren war, ganz deutlich vorhanden ist. der sechsjährige lacht aus seinen augen, sprüht vor freude und schalk. seine gesichtszüge sind niemals verspannt oder verhärtet worden vom leben, sie sind immer noch so entspannt und sich der äusserlichkeit ganz unbewusst, unverstellt und frei wie die züge eines kindes, dass sich gar nichts daraus macht, wie es aussieht oder gesehen wird. ganz er selbst und frei, sich ganz zeigend, ohne zurückhaltung oder bemühung. was für ein teaching! sich selbst von innen spüren und sich dann erfüllen...
10:33:12 - ulrika -

22 January 2009

gaze into the light with its own eternal eyes

eine papaya halbiert, bananen hineingeschnitten, diese kleinen süssen bananen, von denen es hier so viele verschiedene sorten gibt, dann limettensaft darüber gepresst - das esse ich am morgen. später einen chai an der strasse. es ist laut, der verkehr chaotisch, es sind so viele menschen unterwegs, zu fuss, auf mopeds, in bussen, rikshaws und auf fahrrädern, dazwischen hunde, katzen, auch schweine, die hier die müllentsorgung übernehmen, kühe sind neben der strasse festgebunden, werden gemolken und gefüttert und manchmal an der stirn berührt für eine segnung, ochsen mit langen spitzen bemalten hörnern, an denen glöckchen befestigt sind, ziehen beladene karren. es gibt viele pilger verschiedener hinduistischer sekten, menschengruppen, die orange, schwarze oder rote kleidung tragen, die in bussen hergebracht werden, blumenketten kaufen, tempel besuchen, und gleich an der hauptstrasse auf dem boden sitzend mittag essen von palmblättern. es gibt bettler und leprakranke, kinder, die murmelspiele spielen, arbeiter, die auch hier ihren morgenchai trinken und einen keks essen, das ist wahrscheinlich erstmal alles zum frühstück. es gibt einen gruss in indien der übersetzt bedeutet: hallo, hast du schon gegessen?
in den letzten 20 jahren entstand ein eigenartiges paralleluniversum zu der indischen welt, die community westlicher menschen, die hier in tiruvannamalai verschiedene lehrer, lehren und aufgaben findet, zusammenkommt zum singen, meditieren, tanzen, die morgentlich um den berg arunachala wandert, die workshops aller art anbietet. es gibt von allem etwas, musikinstrumentenbauer, tausenderlei bekannter und unbekannter therapieformen, designer, umweltschützer, wiederaufforstungsprojekte, hundesterilisierungsorganisationen, schulgründer, spendensammler, kleine organisationen, die handmade by indian women from the village produkte promoten und es gibt sogar einen cosmischen flughafen, the cosmic airport for consious birth giving and consious dying...
diese stadt ist ein ganzes universum, eine weite, verrückte und sehr lebendige welt. nachdem ich letzten winter überhaupt nicht verkraftet habe hier zu sein - alles war zuviel, zu intensiv, zu fremd und schwierig, fühle ich mich diesmal ganz in meinem element und lass mich tragen, wie von einem fluss, der dem wasser auch keine zweifel lässt über den weg, den das fliessen nimmt.


es sind auch viele freunde, die sich hier treffen, in englisch sagt man, like minded people. menschen, die die gleichen fragen verfolgen, auf einem ähnlichen weg sind, that is: awakening. jeden tag finden in dem hier gerade gehaltenen dharma inquiry program diskussionsgruppen unserer lehrer statt, mit titeln wie

what is there to realise and how can i become real?
uncaused happyness
what is truth?
...

so angefüllt, verrückt und unglaublich diese welt ist, hier wird es deutlich, dass all diese formen und erscheinungen der welt und des eigenen seins nichts weiter bedeuten, sich immer ändern werden, konstruiert sind, leer und endlich, aber dass DAS, was diese formen erkennbar macht und erscheinen lässt, alles bedeutet, dass das alles durchdringt, unwandelbar ist, das unkonstruierte, nie geborene und unsterbliche.


how can i live, knowing now that all this life is just a grain of sand held by vastness
how can i be concerned about this grain of sand
how can i not long for the realization of the whole beauty of this land

just don't ask me to twist myself around some crazy agreement everybody is living for
let me just go for this vastness, even if i wont walk on solid grounds
let me just emerge into it, even if i would die
for i can do nothing else
05:17:51 - ulrika -

16 January 2009

life is beautiful





das retreat ist vorbei. anka und ich haben tapfer durchgehalten als manager, ich habe auch yoga unterrichtet morgens halb sieben jeden tag. die organisation war oft anstrengend, voller überraschungen, zwei schlimme notfälle sind passiert und auch unvorhergesehene glücksmomente. jetzt sind wir wieder in tiruvannamalai, und hier findet das erste dharma treffen statt, bei dessen organisation wir jetzt auch gleich mithelfen.

ich bin ganz erfüllt, voller energie, zuversicht und fühle mich lebendig, verbunden mit dem was für mich in meinem leben von bedeutung ist. irgendwie wird der panzer dünner, die waffen unbrauchbar, das sein transparent, und in dieser verletzlichkeit liegt so viel kraft.
08:16:48 - ulrika -

02 January 2009

was ich hier mache

in drei tagen werden vier lehrer und über fünfzig rereat teilnehmer im anantha niketan ashram ankommen. bis jetzt wohnen ein paar gäste hier, die ashramgründer, chitra ma, die frau die das sagen hat, ihre freunde, die für sie bruder und schwester sind, und arbeiter, familien aus dem nächsten dorf, die mutter wäscht, der vater baut und die töchter arbeiten auch für einen geringen lohn, wenn sie von der schule kommen. mit chitra mache in den bettenplan, wieviele leute in welchen gebäuden untergebracht werden. morgen werden wir dann alle räume durchfegen und betten aufstellen, matrazen und kissen dazu und stricke spannen für die moskitonetze. die teilnehmer des retreats werden in schlafsälen schlafen oder kleinere zimmer teilen, es gibt keine einzelzimmer und kaum raum für sonderwünsche. mit chitra bespreche ich auch dinge wie wohin mit wertsachen, können wir der frau, die die wäsche wäscht wieder beauftragen, wir brauchen neue trinkwasserbehälter... ich mache mehrere shoppingtours in die stadt (es dauert bis man einen hardwarestore mit kokusnussstricken findet) und dann bereite ich das notice board vor. ich drucke in der stadt informationen aus über die lehrer, über meditation und schweigen im allgemeinen und anleitungen und methoden im besonderen. das communikationssystem bastel ich zusammen, baumle stifte und zettel an stricke, dass sie auch dort bleiben und nicht weggetragen werden... lauter kleine dinge. ich schreibe eine liste für arbeiten, die jeder nach dem frühstück zu erledigen hat (diesmal auch reis anpflanzen), der zeitplan wird aufgestellt, und der dazugehörige glockenläutdienst, registrierungsformulare copiert und anweisungen, wie zum beispiel die toiletteninstruktion, damit auch alle verstehen, dass klopapier nicht runtergespült werden kann. es gibt eine menge dinge zum thema hygiene, dass uns die leute, die frisch aus der westlichen welt kommen nicht alle umfallen. ich durchdenke, was dann in welcher reihen folge pasieren muss, wenn sich der platz innerhalb von zwei stunden mit 50 leuten füllt. eins nach dem andern, alles nach plan und nachvollziehbar für die ankommenden. sie registrieren sich erst, das normale prozedere in indien, mit passportnumber und visanumber (plus wer hat welche nahrungsmittelallergien, mentale besonderheiten, emotionale aussergewöhnlichkeiten), dann bezahlen sie ihren beitrag für essen und bett, sprechen kurz mit einem der lehrer wenn sie neu sind, dann bekommen sie einen job zugeteilt und eine ashramtour, werden vorbeigeführt am noticeboard, der küche und der meditationshalle. sie werden ihre sachen neben ihrem bett abstellen, sich mit den anderen absprechen, welche nummmer ihr türschloss hat und ob sie morgens das licht anmachen oder die taschenlampen benutzen wollen..., sich einen platz in der meditationshalle aussuchen, dort werden sie die meiste zeit in den nächsten zehn tagen verbringen. am abend nach dem dinner werden anke und ich noch einen langen vortrag darüber halten, wie das alles geschehen wird, was geht und was nicht geht, von: was ist angemessene kleidung in einem indischen ashram?, über: wenn du einen zettel an lehrer und manager schreibst, bitte unterschrift nicht vergessen! oder: uhren synchronisieren, jobs erklären und andere regeln.... eine flutwelle an informationen, dann werden die lehrer sprechen und dann silence und gute nacht. die ersten zwei drei tage sind erfahrungsgemäss anstrengend für die organisatoren. jeder hat irgendwas vergessen, manche werden krank, manche können einfach wirklich nicht mit der frau, die so nervend mit ihren klamotten rumhantiert in einem zimmer sein. daneben werden wir die leute nach meditationserfahrung sortieren, damit sie dann in kleinen gruppen mit jeweils einem lehrer kurz austauschen, was so passiert. anke und ich werden kleine wanderungen in die umgebung erkunden, die wir dann yatramässig in einer schweigenden lange schlange unternehmen, wahrscheinlich wird auch einer von uns yoga unterrichten früh um sechs. wir werden unsere ausgaben ausrechen und buchführen, geschenke einkaufen für die ashramarbeiter, die am ende dann gegeben werden und dann bald den abschluss des retreats organisieren, die rede über den praktischen aspekt und die über das ende des schweigens, wir werden spendenboxen basteln, emaillisten prüfen, informationen über andere und weitere programme ausdrucken, listen wo sich die leute einschreiben, wann wer wohin und dann gilt es noch rikshawfahrer zu benachrichtigen....
03:09:05 - ulrika -